Das ehrliche Interview (1): "Du kommst im Job nur so weit, wie dein Partner das mitträgt!"

09. Feb, 2017

Diesmal: Anja Schulz, 39, selbstständige Physiotherapeutin

„Du kommst im Job nur so weit, wie dein Partner das mitträgt!“Familie Schulz

Mein erstes ehrliches Interview. Ziel dieser Aktion ist es, anderen Eltern einen Blick hinter die Fassade von anderen Familien zu gewähren, zu zeigen, wie die Realität bei anderen aussieht. Und vielleicht damit ein wenig Inspiration zu bieten, wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gelingen kann.

Wir treffen uns an einem Sonntagnachmittag. Anja ist die Mutter von einem Schulfreund meines Sohnes, und ich habe Ihre unabhängige Art schon länger bewundert.  Wunderbar: Sie hat sich zu diesem Interview bereit erklärt, und ich bin jetzt neugierig.

Julia Peters (JP): Liebe Anja, danke, dass du dir die Zeit nimmst. Wir fangen auch gleich an. Bitte sag nochmal wie du heißt, wie alt du bist und wie deine Familie aussieht?

Anja Schulz (AS): Ich heiße Anja Schulz, bin 39 Jahre alt, (noch) nicht verheiratet, aber mit Partner (Micha) und habe einen Sohn, Florian, der ist 9 Jahre alt. (Anmerkung: Anja und Ihr Partner werden nächsten Sommer nach 20 Jahren Beziehung heiraten)

JP: Was machst du beruflich?

AS: Ich bin freiberufliche, also selbstständige Physiotherapeutin, arbeite dafür in einer Praxis und mache Hausbesuche.

JP: Wie sieht denn so ein typischer Tagesablauf bei euch aus?

AS: Micha muss sehr früh raus, der fängt um 6 Uhr schon an zu arbeiten. Ich stehe zwischen 6 und halb 7 auf, frühstücke mit Florian und Sorge, dass zuhause alles läuft, bis Florian um viertel vor 8 zur Schule muss. Dann düse ich direkt los in die Praxis oder zu Hausbesuchen. Meine Termine kann ich mir dabei selber legen. Das geht so bis um ca. 14 Uhr. Dann kommt Florian nach Hause. Ich koche für uns, wir essen zusammen zu Mittag. Um ca. 16 Uhr kommt Micha dann von der Arbeit zurück; er übernimmt Florian und ich gehe dann nochmal zu Terminen in der Praxis oder auf Hausbesuche, meistens bis 19 Uhr. Dazu kommt dann noch Schreibkram, das wird dann auch gerne mal 20 Uhr. Ach ja, einen Hund haben wir auch noch, Avito, mit dem gehe ich morgens und abends auch noch raus.

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie war ein jahrelanger Entwicklungsprozess

JP: Wie sieht die Arbeitsteilung bei euch aus? Wie schafft Ihr Vereinbarkeit von Beruf und Familie?

AS: Das hat sich über die Jahre entwickelt, und da habe ich mir auch einiges erarbeiten müssen, oder besser, wir haben uns das erarbeitet. Micha ist ja festangestellt, d.h. er ist mit seinen Zeiten ziemlich festgelegt. Dazu kommt, dass er noch gute 45min Anfahrt hat. Als Fahrer für Schwergeräte (Bagger, Lkw) muss er im Winter auch manchmal sehr früh los, wenn die Firma Winterdienst macht. Ich als Freiberuflerin kann mir meine Stunden zwar einteilen. Aber ich muss ja sehen, dass ich auf eine bestimmte Stundenanzahl komme, damit am Ende des Monats alle Kosten gedeckt sind. Das ist manchmal sehr schwierig, weil ich ja auch alle möglichen Urlaube und Fehlzeiten rausarbeiten muss. Wenn ich nicht arbeite, dann verdiene ich nichts. Micha und ich machen eigentlich beide alles im Haushalt. Er macht auch Wäsche und so. Naja, ich plane dann doch mal mehr, und schaue vielleicht auch nochmal mehr nach Florian, als vielleicht ist es auch 60:40 aufgeteilt. Ein bisschen mehr mache ich glaube ich schon. Aber wir ziehen wirklich an einem Strang. Das ginge sonst auch nicht. Aber das war nicht von Anfang an so, das haben wir uns erarbeitet. Manchmal war das nicht leicht. Überhaupt: „Du kommst im Job nur so weit, wie dein Partner das mitträgt!“

JP: Gibt es denn Aufgaben, die der eine macht und der andere nicht oder umgekehrt.

AS: Wir hatten das z.B. so, dass Micha freitags einkaufen geht. Da hat er etwas früher Schluss, das musste ich dann nicht machen. Seit meiner Diagnose für die Allergien (Anmerkung: Anja hat seit letzten Sommer eine Unverträglichkeit für Gluten und Milcheiweiße) muss ich jetzt aber doch auch in der Woche mal einkaufen. Das ist sowieso eine riesige Planerei, jetzt mit dieser Essensumstellung. Aber insgesamt versuchen wir schon, dass beide alles machen.

JP: Ihr kommt beide aus dem Osten (Anmerkung: genauer aus Borna, bei Leipzig). Glaubst du, dass dieser Hintergrund beim Thema Vereinbarkeit einen Unterschied macht?

AS: Ja, sicher! Bei uns war früher immer logisch, dass die Frauen auch arbeiten gehen. Meine Mutter hat das auch gemacht, immer. Und deswegen hat sich für mich gar nicht die Frage gestellt, ob ich zuhause bleibe. Das ist in Westdeutschland schon anders. Es gibt hier eine andere Grundeinstellung dazu. Es gab im Osten aber auch immer fantastische Betreuungsmöglichkeiten. Auch das sieht hier anders aus. Wobei…ich hätte es auch irgendwie schön gefunden, mehr Zeit für Florian zu haben, dass Micha vielleicht gesagt hätte „Ich mach das, kümmere du dich um’s Kind“ – auf der anderen Seite wollte ich immer unabhängig sein. Ich wollte immer auch alleine klarkommen. Und wenn jetzt etwas wäre, ich könnte das, auch alleine. Klar müssten wir uns einschränken, aber ich könnte Florian und mich durchbringen. Die Unabhängigkeit zu haben, das war mir immer wichtig! Auch als Florian unterwegs war, da haben wir ganz früh schon überlegt, ob und wie wir das machen. Und wenn Micha da nicht mitgezogen hätte…ich weiß gar nicht, ob ich unter anderen Umständen überhaupt ein Kind hätte haben wollen…wahrscheinlich nicht. Übrigens war das auch die erste Frage meiner Mutter, als Sie Bescheid wusste, dass wir ein Kind erwarten…“Wie macht ihr das denn jetzt?“ (lacht) – nicht herzlichen Glückwunsch oder so. Sie hat sich direkt Sorgen gemacht.

Die größte Herausforderung im Eltern-Sein – Der Plan funktioniert nicht!

JP: Was sind deine größten Herausforderungen im Alltag?

AS: Wenn der Plan nicht funktioniert, wenn etwas Außerplanmäßiges passiert, zB. dass einer von uns krank ist oder man dringend einen Termin wahrnehmen muss oder so. Wir haben halt außer guten Freunden keine familiäre Unterstützung hier in der Gegend, d.h. wir müssen sofort sehr jonglieren. Das ist immer schwer, und auch sehr anstrengend. Da habe ich auch nicht wirklich eine Lösung für.

Glück ist, als Familie das Leben zu meistern

JP: Was gefällt dir denn an deinem Leben?

AS: Dass ich meine Familie habe, meine Kleine. Dass es Florian gibt… (Pause)…ja!

JP: Worauf bist du stolz?

AS: Dass wir Florian wieder so gut hinbekommen haben! (Anmerkung: Florian hatte ab der 1. Klasse Probleme in seiner ersten Grundschule, erhielt eine ADS-Diagnose und war eine Zeitlang auch in heilpädagogischer Betreuung. Vor knapp 2 Jahren hat er die Schule gewechselt und ist mittlerweile voll integriert.) Dass wir das zusammen, Micha und ich, aber auch wir als Familie geschafft haben, mit viel Geduld! Jetzt wissen wir, was wir da machen müssen! (strahlt über das ganze Gesicht)

JP: Drei Wünsche an eine gute Fee?

AS: Eigentlich nur einer…mehr Zeit, Zeit für mich, dass ich wieder ein bissel mehr Sport machen kann, Zeit für den Partner – ja, das kommt ganz zu kurz, weil wir uns halt immer die Klinke in die Hand geben. Zeit, Zeit und Zeit…

JP: Hast du ein Geheimrezept für andere Eltern bezüglich der Aufgabenteilung oder im  Selbstmanagement?

AS: Nein…hm… vielleicht dass man wirklich an einem Strang ziehen muss als Eltern, und dass man sich das erarbeiten muss! Und dass das dauert…

JP: Gibt es eine Frage, die du schon immer mal anderen Eltern stellen wolltest?

AS: Nein.

JP: Welche Frage hätte ich noch stellen müssen?

AS: (überlegt)…ein Aspekt fällt mir gerade noch ein. So sehr Micha mich unterstützt und alles übernimmt, wenn es um die Arbeit geht, so wenig klappt das mit der Weiterbildung. Ich müsste ja in meinem Beruf als Physiotherapeutin auch regelmäßig an Weiterbildungen teilnehmen, und da hat er irgendwie wenig Verständnis bzw. das sieht er nicht als so notwendig an. Da würde ich mir noch mehr Unterstützung wünschen – doch ja!

JP: Wie geht es bei dir heute noch weiter?

AS: Nix mehr! Wochenende! Doch, eine Wäsche muss ich noch aufhängen (lacht)…

JP: Liebe Anja, danke für deine Offenheit und das tolle Gespräch!Anja und Avito

 

Nachtrag: Wenige Tage nach diesem Interview musste Avito, der Hund und wichtiges Mitglied der Familie leider eingeschläfert werden. Deshalb und weil auch er ein Puzzlestein in Anjas Vereinbarkeitsmodell war, ist er hier nochmal mit Bild „verewigt“.

 

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